Kopfsteinpflaster, Säcker und Torschlusspanik – wer nach Limburg kommt, erfährt wunderbare Geschichten. Herrlich eingebettet im Lahntal, zwischen Westerwald und Taunus, gehört die alte Bischofsstadt zu den Mittelalterschätzen. Der siebentürmige Dom zieht zwar alle Blicke auf sich, doch noch schöner ist das Fachwerk-Ensemble drumherum: wunderbar klein, krumm, lauschig und gemütlich.
Mal raus und alles eine Nummer kleiner und ruhiger – das war der Plan. Limburg an der Lahn gefiel uns auf den ersten Blick. Die Bischofsstadt liegt etwa eine Autostunde nördlich von Frankfurt am Main, malerisch zwischen Fluss und Bergen, Koblenz und Marburg. Alles daran klang nach herrlicher Auszeit: viele Fachwerkhäuser, Fluss, Wandermöglichkeiten. Mit dem Kurzurlaub-Paket von Spar mit! Reisen im stylischen Vienna House Easy by Wyndham kamen noch einige Extras hinzu: Schifffahrt, Nachtwächterführung und die Einkehr in einer Schnitzel-Legende. Gebucht!
Schaulaufen der Fachwerk-Schönheiten
Alt, älter, Limburgs Fachwerk-Pracht. Die denkmalgeschützte Altstadt beeindruckt mit Schätzen aus dem 13. bis 18. Jahrhundert, alle liebevoll saniert und strahlend schön. Denn die Limburger, sie hatten Glück und blieben von Katastrophen und Weltkriegen weitgehend verschont. Und so schlenderten wir durch ein „Schöner Wohnen des Mittelalters“: Überall beeindrucken kunstvolle Verzierungen, aufwändige Schnitzereien, repräsentative Erker. Die Dekorlust vermögender Kaufleute und Händler kannte wenig Grenzen. Unter den Kostbarkeiten und Kuriositäten: das „Haus der 7 Laster“, erbaut 1576. An seinen Balken schaut der menschliche Sündenpfuhl in Form geschnitzter Fratzen hernieder: Hochmut, Neid, Unmäßigkeit, Geiz, Wollust, Zorn und Trägheit. Man möchte meinen, in aufgeklärteren Zeiten ist solch Gruselkabinett schwer vermietbar. Doch weit gefehlt, das Gebäude war bereits Farben- und Kolonialwarengeschäft, Metzgerei und Schuhladen. Heute beherbergt es ein kleines Kunstmuseum. Höhepunkt der Altstadt-Bijous, ist der Römer 2-4-6. Über 700 Jahre steht das gotische Fachwerkhaus schon, die ältesten Teile stammen von 1289. Auch das Werner-Senger-Haus, in dem Schinderhannes festsaß, Haus Byron und das Weinhaus Schultes sind Prachtexemplare.
Aber es gibt ja noch den Boss. Der fast 800 Jahre alte Sankt-Georgs-Dom sticht durch seine exponierte Lage und die rot-weiße Fassade hervor. Erbaut in rasanten 45 Jahren (1180 – 1235), hortet seine Architektur sämtliche Kirchen-Symbolik: Die sieben Türme (deutschlandweit einmalig) spielen auf die sieben Sakramente an, das Innere symbolisiert die himmlische Stadt Jerusalem, der Grundriss bildet das Kreuz ab. Die jüngste Innenrestaurierung (1975 bis 1991) geriet zur kunsthistorischen Sensation. Dabei traten farbenfrohe romanische Fresken der Original-Raumfassung aus dem 13. Jahrhundert zutage. Ein Kunstschatz, der in Europa einmalig ist. Wer noch mehr erfahren mag, nimmt an einer Domführung teil.
Säcker und Edelsäcker
Als Nadelöhr Limburgs galten lange Zeit die vielen engen Gassen – jeder fahrende Großhändler kannte Limburg als schmalste Stelle auf der Via Publica. Die Hauptverkehrsader des Mittelalters führte von Brüssel über Frankfurt, Würzburg und Nürnberg bis nach Prag. Damit die vollbeladenen Pferdefuhrwerke nicht in Limburg stecken blieben, gab es das Limburger Maß. War die Fuhre doch zu kühn und sperrig, mussten kräftige Männer, so genannte Sackträger, kurz „Säcker“, die Wagen umladen. So nennt man die Limburger noch heute. Doch statt sich zu ärgern, haben sie ihren Spitznamen als Markenzeichen verwendet. Für das Hockeyteam und auch eine süße Spezialität. Wer im Café Will die „Limburger Säcker“ bestellt, bekommt feines Buttermürbeteiggebäck nach einem Familienrezept aus dem 18. Jahrhundert. Es gibt nur noch eine Steigerung: die „Edelsäcker“. So dürfen sich alteingesessene Familien der Altstadt nennen.
Die Burg zieht den Kürzeren
Der Namens-Zusatz „an der Lahn“ ist lang, aber nicht unwichtig, denn auch die Niederlande und Belgien haben ein Limburg. Das „Burg“ im Namen geht fast unter, es gibt aber auch davon eine. Die uralte Feste aus dem 13. Jahrhundert wird heute als Limburger Schloss bezeichnet. Sie steht unmittelbar neben dem auffälligen Dom, was ihr ein Schattendasein bescherte.
Kulinarische Tipps: Muzenblätter und Schlawiner
Weit ist in einer Kleinstadt nichts entfernt und so kamen wir ohne zu Suchen an allen Highlights einmal vorbei. Limburgs älteste Zuckerbäckerei, das Café Kosmol, lockte mit riesigen Sonnenschirmen und Tischen voller Lebkuchen-Souvenirs. Wir nahmen eine Tüte „Muzenblätter“ (Teig-Scherben), die wir unterwegs wegschnurpselten und ließen den überteuerten Baumkuchen liegen. Mondpreise, schade. Für Kindheitserinnerungen könntest du dir ein köstliches Schaumkussbrötchen in der Kunstbäckerei Hensler gönnen. Wir hatten Glück, es war gerade ein Musikfestival in der Stadt und „Monsieur Chocolat“ zauberte uns aus seinem Choco-la-Mat köstliche Täfelchen.
Da die Sonne so herrlich bullerte, nahmen wir in einem Café oberhalb des Säuferbrunnens auf der Plötze Platz. Der Brunnen übte fast eine magische Anziehungskraft auf Kinder und Passanten aus. Bei dem Schluckspecht handelt es sich um den einst gefürchtete Raubritter Friedrich von Hattstein, der zunächst ein extrovertiertes und raufboldiges Leben führte, dann aber doch noch zum Stadthauptmann von Limburg wurde. Ein Aperol und ein exzellenter Straßensänger, der auch noch „What a wonderful word“ sang – es wird für mich immer mit Limburg verbunden sein.
Für die Wiederbelebung der kopfsteinmüden Füße kehrten wir schließlich in den „Burgkeller“ am Fischmarkt. Außen wie innen absolut urig. Historisches Gebälk, niedrige Decken, kleine Stufen. Um 19 Uhr war bereits gut was los, wir hatten glücklicherweise reserviert. Und mussten auch nicht lange auf unsere Schnitzel-Parade mit Pommes und Bratkartoffeln warten. Schmeckte ebenso wie das lokale Schlawiner-Bier. Der Blonde Schlawiner und die Black Lady sind im mittelhessischen Lahn-Dill-Kreis kleine Berühmtheiten und werden nur 35 Kilometer weiter in Braunfels gebraut.
Romantische Lahn
Für eine kleine Abwechslung sorgte am nächsten Tag ein Spaziergang am Lahnufer. Noch zauberhafter wurde der Ausflug mit der „MS Wappen von Limburg“. Wir bekamen einen Tisch auf dem Oberdeck und genossen zwei Stunden lang Sonne, Kulisse, Durchsagen und kühle Limo.
Für schöne Erinnerungsfotos ist ein Schwergewicht perfekt: die alte Lahnbrücke. Das Steinmonument mit sechs Bögen steht seit nunmehr 500 Jahren und noch immer bewältigt es den Verkehr. Von hier lässt sich der erhöhte Limburger Dom samt Flusspanorama perfekt auf ein Bild bringen, inklusive kunstvoller Spiegelungseffekte.
Wir hatten auch Wanderschuhe für alle Fälle eingepackt – Taunus und Westerwald sind nicht weit entfernt. Eine Paddeltour wäre auch schön gewesen, die Lahn ist einer der beliebtesten Flüsse für Kanu-Wanderer in Deutschland. Aber manchmal ist weniger mehr. Was allerdings nicht für den unrühmlichsten Bischoff Limburgs galt – Tebarz-van Elst.
Der Protzbischof-Skandal
Als Franz-Peter Tebartz-van Elst 2008 zum Limburger Bischof ernannt wurde, war er der Hoffnungsträger des konservativen Flügels seiner Kirche. Doch sein verschwenderischer Neubau der Bischöflichen Residenz geriet völlig aus den Fugen. Irrsinnige 31 Millionen Euro verschlang die skandalöse Hightech-Luxus-Butze (heute ein Museum). Der Bischof musste daraufhin zurücktreten und die Räume werden heute vom benachbarten Diözesanmuseums genutzt. Bei einem Besuch des Museums kann man hinein. Doch wir fanden den Bau potthässlich und brauchten den voyeuristischen Blick nicht. Umso mehr freuten wir uns auf die Nachtwächter-Führung.
Licht aus, Laterne an: Unterwegs mit dem Nachtwächter
Los ging es Samstagabend an der Plötze, dem Kulttreffpunkt der Stadt. Hier warteten gleich mehrere Herren in dunkler Kutte. Es starteten drei Nachtwächtertouren zur gleichen Zeit – das Ding scheint zu brummen. „Hört ihr Leute, lasst euch sagen“, legt unser Nachtwächter los und geleitet mit Hellebarde und Laterne durch die verwinkelten Gassen. Derbe und vergnügliche Anekdoten, es macht Spaß. Nachtwächter zu sein hieß vor allem, zu vorgerückter Stunde für Ruhe und Ordnung zu sorgen, aufzupassen, dass kein Feuer ausbrach und ins Horn zu blasen. Das war das Zeichen, dass das Tor geschlossen wurde. Wer es nicht rechtzeitig in den Schutz der Stadtmauern schaffte, hatte Pech. Daher auch der Begriff Torschluss-Panik.
Die Nachtwächterführungen finden von März bis Ende Oktober immer samstags um 20.00 Uhr (im März ab 18.00 Uhr) statt und dauert ca. 1,5 Stunden. Im Januar und Februar finden sie jeden 1. Samstag im Monat um 18.00 Uhr statt.
Ein anderes Stadtrundgang-Highlight heißt „Lottis lustiges Limburg“. Hier zeigt Comedy-Dame Lieselotte Lotterlappen die Domstadt einmal von einer ganz anderen Seite: mit lockerem Mundwerk, Witz, Musik und Gesang. Und sie liebt es, ihren Senf überall dazuzugeben.
Die Touren mit Lotti finden zwischen März und November an verschiedenen Tagen statt oder nach Vereinbarung.
Übrigens: Wer zwischen 1964 und Oktober 1992 größere Geldbeträge zählte, hatte auch den Limburger Dom dabei. Das imposante Gotteshaus zierte knapp 30 Jahre die Rückseite des braunen 1.000-Mark-Scheins. Mit der Euro-Umstellung fiel er zwar aus dem „Programm“, doch irgendwo auf der Welt leben über 300.000 Stück weiter – vergessen, in Sammler-Alben, Schubladen oder alten Kissen. Finder dürfen die Tausender (und alle anderen DM-Scheine und Münzen) nach wie vor bei der Deutschen Bundesbank umtauschen – kostenlos, aber auch ohne Inflationsausgleich (1 Euro für 1,95583 DM). So, ich bin nochmal kurz auf dem Dachboden.