Würzburg ohne Wein, das geht auch

Wenn man ein Wochenende mit Freunden in einer interessanten deutschen Stadt verbringen will, ist die Auswahl gar nicht so klein. Dass es bei mir dann Würzburg wurde, war ein schöner Zufall. Würzburg ist mit dem ICE gut erreichbar, nicht zu groß und voller Sehenswürdigkeiten. Das bedeutet aber nicht, dass man von Schloss zu Museum hetzen muss, im Gegenteil. Die Alte Mainbrücke, Cafés in der Altstadt und lauschige Plätze am Mainufer bieten sich als Boxenstopp an. Praktischerweise liegen die großen Must-sees auf einer Achse – von der Festung bis zur Residenz. Auto? Brauchen Sie nicht? Die Straba, wie die Würzburger ihre Tram nennen, und die Busse fahren im 10-Minuten-Takt. Süßes Extra: Die Stationen werden von Kinderstimmen angesagt.

Alles in zwei Tagen sehen? Kein Problem. Los geht es für uns mit dem niedlichen Elektrobus der Kulturlinie 9 hoch zur Festung, die momentan renoviert wird. Ein Teil des Würzburger Wahrzeichens ist also abgesperrt und kann nur mit der Führung betreten werden. Die sollte man sich gönnen für nur 4 Euro. So bekommt man die Festung von innen und außen zu sehen, die Kapelle mit den Knochen von alten Katholiken, den Brunnen, der schwindelerregende 100 Meter in die Erde geht, und die Wehrgänge (angenehm kühl im Sommer). Dazu gibt es jede Menge Informationen zur Würzburger Geschichte. Grandioser Höhe- und Endpunkt: der Fürstengarten, der einen Blick über die ganze Stadt bietet. In echt beeindruckender als auf meinen Handyfotos und ein Ausblick auf die Sehenswürdigkeiten, die noch kommen: Alte Mainbrücke, Dom, Residenz. Runter ist tatsächlich eine Herausforderung, denn es ist steil, also richtig steil. Kein Wunder, dass die Würzburger Fürstbischöfe sich hierher zurückgezogen haben, da überlegt man es sich zwei Mal, ob man zum Meckern den Berg rauf tippelt. Unsere Museumsführerin erzählte übrigens, dass es nach der Renovierung wieder Wohnungen in der Festung geben wird. Ob man dorthin Pizza geliefert bekommt, fragen wir uns beim Abstieg.

Schnell ist man von der Festung auf der Alten Mainbrücke, ein mega Fotomotiv, vor allem mit der Festung im Hintergrund. Hier ist auch mittags schon was los: Touristen, eine Hochzeitsgesellschaft und Studis. Man bewundert die Steinfiguren, fotografiert die Festung und nippt am berühmten Brückenshoppen. Zu essen gibt es auch und ein paar Schritte weiter ist man mitten in der Innenstadt, die scheinbar immer mit Leben gefüllt ist. Vorsicht beim Bummeln, die Straba fährt durch die Fußgängerzone, was das entspannte Schaufenstershoppen etwas weniger entspannt macht. In gerader Linie von der Mainbrücke geht es auf den Dom zu, der zwischen den Häusern eingequetscht gar nicht so eindrucksvoll aussieht. Wer ihn allerdings betritt, erkennt seine wahre Größe. Auch hier könnte man eine Führung mitmachen, doch uns interessiert eher der Pomp der privaten Gemächer: Hinter dem Dom liegt die Residenz. Damit die Motivation stimmt, legen wir aber noch kurz eine Pause ein, an der angeblich besten Eisdiele in Würzburg, laut Insider-Informationen. Das Casa serviert die Eiscreme in hippen, schwarzen Waffeln. Vanille-Tonka, Erdbeer-Crumble und Ananas Limette Chili sehen daran besonders appetitlich aus. Yum!

Zur Residenz muss man dann erst mal einen großen Vorplatz überqueren, den die Würzburger als Parkplatz benutzen. Super für Autofahrer, nicht schön für das historische Gebäude. Wir lassen uns von einer Einheimischen erzählen, dass man befürchtet, dass die UNESCO der Residenz irgendwann den Welterbetitel entzieht. Blechlawine vor Rokoko, na ja. Um dem schnöden Anblick zu entkommen, muss man nur in den Schlosspark schlüpfen, sich auf eine Bank im Schatten der Alleebäume setzen oder an einen Brunnen vor Rosenbeeten. Das ist gratis. Innen stößt man auf bayerische Großzügigkeit: Als Azubi darf man hier kostenlos rein (in die Festung übrigens auch), für den Rest kostet es 9 Euro, Führung inklusive. Tatsächlich kann man die Residenz auch gut ohne Führung ansehen, denn dass der teure Pomp beeindrucken sollte, merkt man auch als Kind der Postmoderne. Vom größten zusammenhängenden Fresko der Welt über Stuck noch und nöcher bis zu dem Spiegelsaal, der jedem ein Wow abringt, wurde hier in die Vollen gegangen. Natürlich ist es noch besser, wenn einem eine fachkundige Person die Hintergründe erzählt und auf Besonderheiten hinweist. Zum Beispiel wo sie die Künstler vermalt haben und wo sie sich selbst verewigt haben. Aus den der Stadt zugewandten Fenstern können wir einen Blick auf das Werfen, was wir schon gesehen haben: Dom und Festung. So geht der erst Tag in Würzburg zu Ende.

Was Museen betrifft, hat man in Würzburg eine nicht gerade kleine Auswahl für eine Stadt mit nur 130.000 Einwohnern. Unsere Wahl fällt als Kontrastprogramm zu gestern auf den Kulturspeicher am Main, einem ehemaligen Getreidespeicher. Heute beherbergt es eine kleine Sammlung lokaler Künstler, z.B. Bildhauerin Emy Roeder. Und konkrete Kunst, was ein Gegenteil vom abstrakter Kunst und eine echte Bildungslücke ist, die an dieser Stelle geschlossen wurde. Bedrückend und doch interessant ist die Sonderausstellung von Forensic Architecture zu den Morden in Hanau. Hier werden aus einer Stunde schnell zwei, besonders, wenn man das Glück hat, einer kommunikationsfreudigen Museumsangestellten zu begegnen.

Da es trotz schlechter Wettervorhersage trocken bleibt, geht es weiter zum Anleger vor dem Congress Center. Hier legen die Schiffe nach Veitshöchheim ab. Eine Dreiviertelstunde lang schippert man vorbei an verschiedenen Häfen und Kirchen, unter Brücken hindurch in den Ort, der für seine Karnevalssitzung bundesweit bekannt ist. Hier kann man aussteigen (es gibt wohl ein Schloss, das von Residenzerbauer Baltasar Neumann entworfen wurde), aber es ist schön, einfach nur auf dem Wasser zu dahinzugleiten. Zurück mit Strömung geht es schneller. Zu meinem Erstaunen kann man im Main baden, viele erfrischten sich in der Nachmittagshitze am Ufer der Zellernauer Mainwiesen. Wird gemerkt für das nächste Mal, denn am letzten Abend stand noch etwas Anderes auf dem Programm: Kiliani, der jährliche Rummel. Zur Freude von uns Preußen war das ein Anlass für die Würzburger, Dirndl und Lederhose auszuführen, denn die Franken sind eben doch Bayern. Den Freefall-Tower haben wir ausgelassen, aber das 55 Meter hohe Riesenrad gab uns noch mal Gelegenheit, Würzburg aus der Luft zu sehen. Ein echter Glücksgriff, dass ausgerechnet zu unserem Besuch der Frankenapostel, der Heilige Kilian, gefeiert wird. Wer es verpasst, hat beim African Festival, der Frühjahrsmesse oder Hafensommer noch reichlich Gelegenheit, die fränkische Lebensart kennenzulernen.

Für uns ist aber Zeit, Würzburg Tschüss zu sagen und das, ohne einen einzigen Tropfen fränkischen Wein getrunken zu haben. So viel hätten wir noch tun können: In der ältesten Pizzeria Deutschlands speisen (1952), hoch zum Schloss Steinburg über den Weinbergen oder uns vom Nachwächter durch die abendliche Stadt führen lassen… So viele Gründe, wiederzukommen.  

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