Pomp, Glitzer, bunt – „Falling in Love“ in Berlin

Bei einem Reiseanbieter mit Schwerpunkt Musical und Wellness zu arbeiten, verpflichtet und weil ich Saunen nicht mag, war ich jetzt schon in sieben Musicals. Doch in einer Show wie „Falling in Love“ war ich noch nie. Werde ich vermutlich auch nicht mehr. 100 Millionen Swarovski Steine, die nicht nur auf wirklich allen Kostümen und Requisiten kleben, sondern auch ein ganzes Becken füllen – das ist unnachahmlich geprotzt.

Aber von vorne: Auch der Friedrichsstadtpalast macht was her, abends beleuchtet, innen mit mehr als einem instagrammable Fotospot ausgestattet. Auf der noch schlichten Bühne steht ein Mikrofon, über dem eine einzelne Feder schwebt. Die Story dieser Show ist schwer zu erzählen, denn besonders viel davon gibt es nicht. You, ein junger, gehörloser Mann sucht seinen Platz in der Gesellschaft. Dort gibt es nur drei Möglichkeiten: Grün ist voller Leben und Passion, Blau ist zurückhaltend und kühl, Rot ist aggressiv und leidenschaftlich. Doch keine der Fraktionen, die sich mit einem Song vorstellen, passt zu You und so fällt er ins Reich von Publikumsliebling Leon, dem CharmäLEON, wo er Me trifft. Die beiden verlieben sich sofort trotz vieler Unterschiede. Das war’s auch schon mit „Falling in Love“, denn Showtitel hin oder her, es geht weniger darum, sich zu verlieben, sondern dass sich die drei konkurrierenden Farben vereinen und einen bunten Regenbogen bilden. Die Geschichte ist also zweitrangig, man will die Botschaft auch nicht unnötig verschlüsseln. Im Mittelpunkt steht das Spektakel und mit Effekten wird auf jeden Fall nicht hinter dem Berg gehalten. Auf der Bühne passiert so viel, dass ich manchmal gar nicht wusste, wohin ich zuerst gucken sollte. Besonders im zweiten Akt wird voll aufgedreht: Feuerbälle, Wasserspiele, eine Turner-Riege, Trapezkünstlerinnen, Blumenschmuck und Blumenduft in der Luft. Die Details der Inszenierung sind faszinierend: in einer Szene tragen die Tänzerinnen Kostüme mit Wende-Pailletten, sodass die „Grünen“ plötzlich teilweise blau werden. Gesungen und gesprochen wird übrigens abwechselnd in Englisch und Deutsch, Hauptcharakter You singt in Gebärdensprache mit. Ein Orchester spielt die Songs live. Nicht alles ist verständlich, aber für „Falling in Love“ sind Vibes wichtiger als Verständnis. 

© Chris Moylan

Kostüme aus einer anderen Welt

Swarovski und Jean-Paul Gaultier – damit wirbt die Show für sich. Aber ganz ehrlich: Die Kostüme des Designerduos Fecal Matter waren meine persönlichen Highlights. Jean-Pauls Gautier verpasste allen Frauen seine ikonischen Eistüten-BHs, überzieht die Kostüme mit Glitzersteinen und fertig. Die quietschigen Ballonkostüme von Sasha Frolova erinnern ein wenig an eine Poolparty. Die Entwürfe von Fecal Matter dagegen wirken wie aus einer anderen Welt – die Aliens sind gelandet und sie haben Extragliedmaßen, verformte Köpfe und runde Auswüchse. Dabei sind diese befremdlichen Kostüme noch relativ harmlos im Vergleich zu dem, was Fecal Matter sonst noch so entwirft (und trägt). Geschlechtslos und ätherisch schweben, tänzeln und gleiten die Mitglieder des Corps de Ballet über die Bühne. Leider viel zu kurz.

Es wird also aus allen Rohren geschossen von Akrobatik über Tanz bis zu Trapezkünsten. Viel hilft viel ist das Motto. Balancekünstler Andreis Jacobs Rigolo hat eine 15-minütige Nummer, in der er 13 Palmblattrispen aufeinander balanciert und das ist fast vollkommener Stille. Wahnsinnig beeindruckend, aber nach all dem Glitzer und Trubel etwas … langatmig. Danach geht es aber bunt weiter.

Botschaft mit Herz

Jeder ist wertvoll, miteinander, statt gegeneinander. Das ist die Botschaft der Show und noch schöner: Sie wird auch gelebt. Die beliebte Kickline ist nicht mehr nur Frauen überlassen, der Hauptdarsteller ist auch im echten Leben gehörlos, bei der Pärchenbildung spielt das Geschlecht keine Rolle und auch die Angestellten sind ein buntes, sympathisches Team. Lohnt sich also ein Besuch im Berliner Friedrichstadtpalast? Ja, denn so etwas wie diese Show werden Sie vermutlich nie wiedersehen. Mag die Message ganz nett, die Geschichte schnell erzählt und der Pomp überbordend sein, es ist eine aufrichtig ernst gemeinte Feier der Vielfalt und Menschlichkeit.

© Nady El-Tounsy

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert