Wolfsburg hat VW, Ingolstadt hat Audi und Stuttgart hat gleich zwei Stammautomarken vor Ort: Porsche und Mercedes-Benz. Beide haben sich mit jeweils einem Museum ein Denkmal gesetzt, die beide zu den beliebtesten in Stuttgart gehören. Die Gelegenheit für Autos-Fans schnittige Wagen lacknah zu erleben – doch in welches gehen? Der Spar mit! Reiseblog weiß Rad Rat.
Eyecandy bei Porsche
Porsche oder Mercedes – die Frage stellte sich mir in meinem bisherigen Leben noch nicht, aber nun musste ich mich entscheiden: Welches Museum zuerst besuchen? Die Wahl fällt auf Porsche in Zuffenhausen. Das Museum ist hypermodern, ein leichtfüßiger Bau mit schnittigen Kanten, glänzender Fassade und großzügigem Vorplatz. Eins merke ich ganz schnell: Ein Besuch in der Ferienzeit ist nur bedingt eine gute Idee, außer man hat Kinder, dann ist es die beste Idee. Beim Sommerferienprogramm trifft Porsche auf LEGO Technic: Zukünftige Autofahrer*innen entdecken mithilfe der bunten Steine elektrische Rennwagen. Da wird es schon mal voll – zum Glück geht es trotzdem schnell und von den kostenlosen Multimedia-Guides gibt es auch genug. Nach der Fahrt mit der laaangen Rolltreppe beginnt der Rundgang mit dem ältesten Wagen, der noch aussieht wie eine Kutsche und flotte 25 Kilometern pro Stunde fuhr. Das war übrigens ein E-Auto. Die Vergangenheit war also elektrisch, die Zukunft ist es auch. So beginnt die Geschichte von Porsche, dessen Gründer Ferdinand Porsche zunächst unter anderem bei Daimler arbeitete und dann 1931 angefangen, selber Autos zu konstruieren. Immer links herumgeht es in der barrierefreien Ausstellung, weil sich bei Porsche das Zündschloss auf der linken Seite des Lenkrads befindet. Nach dem historischen Abriss reihen sich die schicken Schlitten aneinander, glänzend und windschnittig. In allen Farben und Ausstattungen, an der Decke, aus Lego, als Sally Carrera aus dem Film Cars „verkleidet“, als Rennwagen, Cabriolet, Polizeiwagen. Schwerpunkt des Museums sind die neuen Wagen. Das Best of der letzten 50 plus Jahre Porsche. Alle umringt von Kindern und ihren Vätern, tausendfach fotografiert, bewundert, in die eigene Garage gewünscht. Aber man darf nicht nur mit Abstand schwärmen, das Museum ist interaktiv. Hier kann man mit VR-Brille seinen eigenen Porsche gestalten oder ein Rennen simulieren. Und man darf auch mal einsteigen. Dafür gibt es auch eine Schlange, aber mich lässt im Leben niemand hinter das Lenkrad seines vierrädrigen Augapfels, also warte ich geduldig bis ich an der Reihe bin. Da fällt die Tür satt ins Schloss, ich sitze tief und nah am Boden. Foto! Steht mir, so ein Porsche!
Eine Pause können Sie im Café einlegen oder im Restaurant im Erdgeschoss. Dort befindet sich auch der Museumsshop. Shirts, Taschen, Regenschirme und Modelautos – preislich erschwinglicher als gleich ein ganzer Wagen und genauso schick. Aber mit Anstehen, denn die Souvenirs sind offenbar so beliebt, dass sich hier eine Schlange wie vorm Berghain bildet. Da fehlt mir dann doch die Geduld und als Andenken bleibt immer noch das Schlüsselband des Multimedia-Guides.
Retrofuturismus bei Mercedes-Benz
Wurde hier Metropolis gedreht? Das Mercedes-Benz-Museum betritt man durch ein riesiges, neun Stockwerke hohes Atrium. Ein Tempel für das Auto aus Sichtbeton. Ich bin begeistert (und würden Sie den 70er Jahre Charme des Spar mit! Büros kennen, wüssten Sie warum). Mit einem Fahrstuhl wie eine silberne Raumschiff-Kapsel gelangt man auf die höchste Ebene, von wo aus man sich in einer Spirale nach unten vorarbeitet. Für alle Architekturbegeisterten ein Highlight, denn der Bau hat keine Stützen, nur wenige Treppen und von jeder Ebene kann man die nächste überblicken. Die Stockwerke sind immer gleich gestaltet, zur rechten eine Ausstellung an besonderen Fahrzeugen, in der Mitte die typischen Wagen der Ära. Dazu eine interaktive Station. An den Wänden der Gänge wird die Geschichte der Welt nachvollzogen – Popkultur, Politik, soziale Entwicklungen, Markenrecht, Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg, Mondlandung, Beatles, Wiedervereinigung – und in Beziehung zu Mercedes-Benz gesetzt.
Am Anfang war … das Pferd. Das begrüßt einen gleich beim Ausstieg aus dem Fahrstuhl. Da Benz das Verbrenner-Auto praktisch erfunden hat, geht es hier ganz von vorne los in der Geschichte des Motors. 1886 begann alles mit dem Benz Patent-Motorwagen Nummer 1, die Geburtsstunde des Autos. Der steht hier und auch alles andere, woran man einen Motor basteln konnte, Luftschiff, Boot und Zweirad. So spaziert man durch die Jahrzehnte. Die Bandbreite der Wagen ist verblüffend. Die ganz neuen Wagen sieht man weniger, hier stehen die historischen Autos im Mittelpunkt, die Prunkwagen aus dem frühen 20. Jahrhundert mit ihren ewig langen Kühlern und getufteten Ledersitzen, die kantigen Wagen aus den 70ern und die windschnittigen E-Autos. Man kann direkt nachvollziehen, wie die Wagen immer besser wurden: Knautschzone, Airbag, Crash-Test. Ab und zu aus dem Fenster gucken lohnt auch, zum Beispiel blickt man auf die Teststrecke von Mercedes-Benz, ein großer Platz aus konzentrischen Kreisen mit verschiedenen Straßenbelägen. Zu sehen sind auch Nutzfahrzeuge von Taxi bis THW-Lkw, Autos mit berühmten Besitzen (Nicolas Cage, der Papst, Wilhelm II., die National-Elf des Männerfußballs) und natürlich die legendären Silberpfeile. Am Rande entdecke ich immer wieder kleine Kunstinstallationen. Leider gibt es hier kein Auto zum Einsteigen, in so einem Formel 1 Wagen hätte ich gerne mal gesessen. Das F1-Reifenwechseln kann man hier simulieren, aber das habe ich den Kindern überlassen. Unten, und damit in der Gegenwart angekommen, kann man noch ein Café oder dem Shop besuchen (diesmal ohne Schlange). Wer inspiriert ist, kann auch gleich zum Mercedes-Händler wechseln. Der Abschied fällt schwer, denn selten habe ich ein so schönes, clever designtes Museum gesehen. Die Autos waren natürlich auch ganz interessant. Nächstes Mal dann unbedingt mit Architektur-Führung!
Porsche oder Mercedes-Benz
Welches Museum soll es denn nun sein? Wer vor polierten Fortbewegungsmitteln schwärmen, mit den Augen shoppen und den „Will ich haben, jetzt“-Reflex auslösen will – ab zu Porsche. So schöne Kurven können Autos haben, da jagt ein Wow das nächste. Hier haben auch Kinder viel zu tun. Wer Weltklasse-Architektur zu schätzen weiß und sich für die Geschichte des Automobils interessiert, der ist bei Mercedes-Benz richtig. Schließlich hat Mercedes Benz die Geschichte der motorisierten Fortbewegung nicht unerheblich beeinflusst und mitgestaltet. Viele Fahrzeuge erkennt man aus dem eigenen Leben oder dem TV wieder: Taxi, Stadtbus und die Staatskarossen vor dem Bundestag. Schön sind die Schlitten, ja auch, aber vor allem geschichtsträchtig und prägend.
Übrigens, sollten Sie doch Zeit für beide Museen haben: Wenn Sie jeweils das Ticket des anderen Museums vorzeigen, bekommen Sie einen Rabatt von 25 Prozent. Wer bei Porsche mit den Öffis anreist, bekommt 5,- Euro vom Eintrittspreis erlassen.